Mobil bezahlen, hinkt Deutschland hinterher?

Wenn man, wie ich, sehr viel in Asien unterwegs ist, dann kommt man nicht umher, sich ab und an mal die Frage zu stellen, ob wir in Deutschland nicht in manchen Bereichen hinterherhinken.

Ich denke generell darf man so eine Aussage nicht treffen, denn so stimmt sie sicher nicht. Wenn man die Aussage jedoch auf den Bereich des mobilen Bezahlens herunterbricht, dann habe ich das Gefühl, dass die Aussage sehr wohl stimmt.

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich gerade in Jakarta. Tagsüber beraten wir Kunden auf der AllPack Messe und abends gehen wir mit ihnen aus. Auf dem Weg von der Messe und zur Messe fällt eines ganz besonders auf.

Mobiles bezahlen wird hier gepusht wie kaum etwas Anderes. Überall werben Unternehmen und Kaufhäuser damit, dass sie nun angeschlossen sind und Banken werben, dass sie nun Apps haben um entsprechende Möglichkeiten zu nutzen.

Wie das ganze aussieht, wenn solche Systeme sich etabliert haben, sieht man in China. Hier eine kleine Geschichte dazu, wie ich überhaupt auf das Thema kam.

Wir waren in Hohhot, in der Inneren Mongolei und hatten bereits 2 Tage voller Meetings hinter uns. An einem Samstag sollte es dann mit der Delegation auf einen Ausflug gehen. Natürlich wurde auch der größte Tempel der Stadt besucht.

Vor dem Eingang saß eine alte Frau. Ihr weißes Haar und ihre, von der Sonne gegerbte Haut, zeugten von langer harter Arbeit unter der Sonne. Diese Frau unterhielt einen kleinen Stand an dem Sie Wasser, Limo und ein paar Fruchtsäfte anbot. Ich wollte einfach ein Wasser kaufen. Normalerweise kein Problem. Doch die Frau wollte mein Geld nicht. Stattdessen zeigte sie auf den QRcode welcher neben ihren Getränkeflaschen aufgestellt war.

Ich verstand erst nicht was sie wollte, bis ein Chinese aus der Delegation auf mich zukam und mir erklärte, dass heute meist mit „WeChatPay“ bezahlt wird. Er nahm sein Smartphone, scannte den Code, gab den geforderten Betrag ein und bestätigte. Die Dame schaute kurz auf ihr Handy, welches sie nun in der Hand hielt, nickte freundlich, sagte etwas und winkte zum Abschied.

Temple habe ich in meinem Leben genug gesehen. Aber diese Selbstverständlichkeit mit der hier via App bezahlt wurde, faszinierte mich. Also folgte ich kurz der Besichtigung um noch schneller wieder in die nächste Einkaufspassage einzutauchen. Und da fiel es mir auf. Egal ob Restaurant, Supermarkt oder Straßenhändler. Überall sah man das WeChatPay logo und/oder den entsprechenden QR Code bzw. einen Code für Alipay.

 

Alipay in einem Taxi in Malaysia

 

Nun mag man denken, dass dies ein lokales Phänomen sei. Aber weit gefehlt. An den darauffolgenden Tagen sind wir nach Shenzhen, Guangzhou und Hongkong gereist. Überall das gleiche Bild. Überall die gleichen Erfahrungen. Unsere Gastgeber bezahlten alles mit ihrem Handy und in jedem Laden konnte man auch mit dem Handy bezahlen.

Ich habe meine Gastgeber vereinzelt mal gefragt, ob sie überhaupt noch Bargeld nutzen. Worauf mir diese fast alle gleich antworteten: „Warum? Brauchen wir hier nicht mehr“. Es klang teilweise schon fast mitleidig gegenüber mir „armen“ Europäer, welcher wohl, immer noch auf Bargeld angewiesen ist.

Ist das denn so? Müssen wir uns schämen, dass wir „immer noch“ Bargeld verwenden.

Das würde ich so nicht sagen. Ich finde es zum aktuellen Zeitpunkt weder schlimm noch rückständig. Ich muss aber auch zugeben, dass ich wohl nur deswegen noch Bargeld mit mir rumtrage, weil die Infrastruktur, in Deutschland, mobiles bezahlen, einfach noch nicht hergibt.

 

Shenzhen-Wochenmarkt.jpg
WeChatPay auf einem Wochenmarkt in China

 

Gibt es denn einen wirklichen Kritikpunkt. Nein. Aber es gibt etwas, dass ich vermisse und das mich mit Sorge erfüllt. Über lange Zeit, war Asien eher für Nachbauen bekannt. Wir haben es entwickelt und Asien hat nachgezogen. Zudem haben sie oft auch erst dafür gesorgt, dass deutsche Entwicklungen ihren Durchbruch hatten und zum internationalen Standard wurden. Man denke hier nur an das Fax-Gerät welches ohne die Asiaten wohl nie so weit gekommen wäre. Oder der Transrapid, welcher zwar von Deutschland erfunden wurde, aber bisher lediglich in Shanghai läuft. Von Fernsehern möchte ich gar nicht erst anfangen. Gute deutsche Marken, welche lange Zeit das Maß der Dinge waren, sind praktisch vom Markt verschwunden oder dümpeln in Nischen umher. Das Geld verdienen heute Hersteller wie Samsung, Tochiba oder LG.

Asien hat heute eine Vorreiterrolle. Bei Geräten mag dies noch mit den günstigen Herstellungskosten zu begründen sein. Aber wie begründen wir Software?

Es gibt in China zwei Bezahlsysteme welche sich den Markt teilen. Zum einen ALIPAY, als Teil der ALIBABA Welt des Visionärs Jack Ma, und zum anderen „WeChatPay“ als Teil der Social Media Plattform „WeChat“. Das sich diese Systeme durchgesetzt haben hat einen einfachen Grund. Sie funktionieren sehr einfach und können von jedem bedient werden und, das ist auch mein Hauptkritikpunkt an der Geschäftswelt bzw. dem Einzelhandel in Deutschland. Die Chinesen haben es einfach gemacht.

Was mir in unserer Konsumwelt fehlt ist der Abenteuer-Gedanke. Diese Zuversicht und der Wille einfach mal etwas zu probieren. Dieser Vorwurf geht zum einen an die Anbieter/Entwickler solcher Apps, aber vor allem auch an die Kaufhäuser und Geschäfte und nicht zuletzt auch an die Banken.

Sie scheinen mehr oder weniger eine Entwicklung zu blockieren bzw. nicht zu forcieren, die erwieseneren Maße von vielen, wahrscheinlich vor allem jungen, Kunden angenommen werden würde und für alle beteiligten viele Vorteile bieten würde.

Warum gibt es in Deutschland, bis heute kein Flächendeckendes einfaches System, dass selbst der Imbissbudenwirt verwenden könnte?

Warum warten die Kaufhäuser und Geschäfte und Händler, mit der Einführung von bestehenden Systemen. Warum wagen sie nicht einfach schon das zu nutzen was da ist?

Warum gibt es bis heute keine App in Deutschland, respektive Europa, die eine einfach Plattform zur Verfügung stellt, mit der via Smartphone eingekauft werden könnte?

Was Letzteres angeht, so muss die Aussage in Teilen revidiert werden. Es ist nicht richtig, dass es keine Apps gibt. Es gibt lediglich kaum Akzeptanzstellen, sprich Händler und Kaufhäuser, die die Möglichkeit nutzen. Faktisch gibt es, meiner Ansicht nach, aktuell zwei Apps auf dem Markt, denen ich das Potenzial zuspreche sich zu einer Standard App entwickeln zu können. Eine davon kommt sogar aus Deutschland.

1: Paydirekt – Diese App, der deutschen Banken, eröffnet heute schon die Möglichkeit Beträge ganz einfach von einer Person zur anderen zu schicken. Die Integration ist sehr einfach und die Nutzung völlig unkompliziert. Was ihr noch fehlt sind mögliche Anbindung in den Verkaufsprozess im Laden. Bisher ist der Ansatz eher Geld an Onlineshops oder privat von einem zum anderen zu senden. Hätte diese App ein Interface, dass auch fürs Einkaufen im Laden genutzt werden könnte, würde Sie evtl. diesen unaufhaltsamen internationalen Trend, zumindest in Deutschland, anführen können.

2: PayPal – Man braucht nicht viel über PayPal zu sagen. PayPal kennt fast jeder und wird von vielen genutzt. Anders als Paydirekt, hat PayPal jedoch bereits ein Interface entwickelt, mit dem Händler und Kunden einfach arbeiten können. Über PayPal.me könnte selbst, der Imbissbudenwirt Geld für die Currywurst bekommen. Dazu muss er lediglich einen Link z.B. http://paypal.me/currybude1 erstellen. Jeder Kunde kann dann ganz einfach in 3 Sekunden das Geld an ihn zahlen. Der Wirt bekommt über PayPal eine genaue Abrechnung und auch der Kunde hat einen vollen Überblick, wofür er welches Geld ausgegeben hat.

Ob diese Entwicklung nun wirklich fortschrittlich ist, kann diskutiert werden. Ich persönlich würde mich jedoch sehr über ein solches einfaches und intuitives mobiles Bezahlsystem freuen und dieses auch nutzen. Ob es sich durchsetzt muss der Markt, also wir alle, entscheiden. Hierzu würde ich mir von unseren deutschen Unternehmen, insbesondere vom Einzelhandel, einfach wünschen, dass sie es probieren und einführen, und nicht abwarten. Denn das Beispiel Asien zeigt, dass es sich tatsächlich zum Standard durchsetzen könnte.